Der Besuch eines Hundertjährigen, der einst aus einem brennenden Flugzeug sprang und überlebte

Wilhelm Simonsohn (li.), Hans-Günter Schmidt

Es ist höchst spannend, was der ehemalige Pilot Wilhelm Simonsohn, Jahrgang 1919, an der Elbschule von seinen Einsätzen im Zweiten Weltkrieg berichtet. Er erzählt von Aufklärungsflügen und Nachtjagden, um englische Flugzeuge an der Bombardierung deutscher Städte zu hindern. Im Mai 1944 wurde seine Ju 88 (Flugzeugtyp) in der Nacht abgeschossen. In 6000 m Höhe konnte sich Wilhelm Simonsohn mit einem Fallschirmsprung aus der brennenden Maschine retten. Das große Glücksgefühl, unverletzt überlebt zu haben, hat er bis heute nicht vergessen.

Es sind aber auch tragische Erinnerungen, von denen er den Fünftklässler/-innen am 6. Februar 2020 berichtet. Nach einer glücklichen Kindheit als Adoptivkind eines jüdischenEhepaares in der Steenkampsiedlung in Hamburg-Bahrenfeld, wurde der jugendliche Wilhelm als „Judenlümmel“ beschimpft und erlebte Ausgrenzung und Zwangsmaßnahmen. Sein Vater wurde 1938 vier Wochen lang im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert und kam kahlgeschoren und verstummt wieder nach Hause. „Aus einem fröhlichen, humorvollen Mann war ein anderer Mensch geworden“, erzählt Simonsohn, „er starb an den Folgen der Haft im darauffolgenden Jahr“.

Frau George-Kuhnert (re.) und Frau Vaupel dolmetschen

Die Schüler/-innen der Klassen 5a und 5c haben viele Fragen an ihren hundertjährigen Gast, der mit seinem Referenten und Freund Hans-Günter Schmidt in die Elbschule gekommen war.

„Haben Sie Hitler mal gesehen?“ – „Ja, mit einem Auge bei einer Parade 1938, als 20 000 Soldaten an der Tribüne mit Hitler vorbeimarschieren mussten.“

„Wie hat Hitler die Juden diskriminiert?“ „Warum wurden Frauen, Kinder und Babys umgebracht?“ Geduldig und ausführlich erklärt Wilhelm Simonsohn die damaligen Geschehnisse und seine persönliche Betroffenheit. „Ich schäme mich noch heute für das, was passiert ist“, räumt er ein.

Das Kriegsende am 8. Mai 1945 empfindet er als seinen zweiten Geburtstag, weil das gegenseitige Morden damit vorbei war. Dass wir nun seit 75 Jahren in Frieden mit unseren Nachbarn leben und dieser Frieden sehr wertvoll sei, liegt Wilhelm Simonsohn als Botschaft für die Schüler/-innen am Herzen. Als Anerkennung für seinen Einsatz als Zeitzeuge an vielen Hamburger Schulen erhielt er im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz.

Elternhaus und Stolperstein →Fotos: Lenja

Auch die Elbschüler/-innen bedanken sich herzlich bei den beiden Gästen für die interessanten 90 Minuten. Lenja hat ein besonderes Geschenk vorbereitet: Sie wohnt selbst in der Steenkampsiedlung und überreicht Wilhelm Simonsohn ein heutiges Foto seines Elternhauses in der Ebertallee 203, wo heute ein Stolperstein an seinen Vater erinnert.

Zum Abschied gibt es Geschenke…
… und ein Erinnerungsfoto

 

 

 

 

 

Den Lehrerinnen Johanna Schmidt de Cevallos und Zoe de Homont ein Dankeschön für die Organisation dieses eindrucksvollen Zeitzeugenbesuches. Es ist ihnen gelungen, die noch jungen Schüler/-innen für ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte in ihrem Unterricht zu sensibilisieren.

Dass der Besuch nicht nur einen flüchtigen Eindruck hinterlassen hat, zeigen die Gespräche unter den Schüler/innen in den folgenden Tagen, in denen sie sich über den Besuch und die für sie unglaublichen Geschichten austauschen, im Internet weitere Informationen sammeln, um auch ihren Eltern ausführlich darüber berichten zu können.

Karin Perwo-Aßmann