„Wichtig ist die Vernetzung“

Bericht über den 4. Expertentag Beruf an der Elbschule

Anfang März 2025 war es wieder so weit. Zum vierten Mal kamen Expert:innen aus sechs unterschiedlichen beruflichen Bereichen in die Elbschule. Sie berichteten den Schüler:innen von ihrem Werdegang, ihren Erfahrungen mit ihrer Hörschädigung und von ihrem beruflichen Alltag. Neben diversen anderen, auch außerschulisch stattfindenden Veranstaltungen, die im Rahmen der beruflichen Orientierung an der Elbschule stattfinden, stellt dieser Tag Vorbilder mit einer Hörschädigung in den Fokus.

Die Klassen 7–10 hatten an dem Tag die Möglichkeit jeweils drei Vorträge von Expert:innen zu besuchen und natürlich unzählige Fragen zu stellen.

Den Auftakt machte der ehemalige Schüler der Elbschule Julius Wendel. Er berichtete von seiner Ausbildung und seinem Beruf als Pflegefachmann. Seine Erzählungen aus dem Alltag in der Pflege ging den Schüler:innen sehr nahe. So, als Julius davon erzählte, dass es sein könne, dass „die Person, die du abends noch gepflegt hast, am nächsten Morgen verstorben ist“. Auf die Frage, wie er mit psychischen Problemen der Patienten und deren Schicksalen umgehe, antwortet Julius, dass es wichtig sei, „sich die Sachen nicht zu Herzen nehmen, sonst frisst es einen innerlich auf“. Es gebe aber auch schöne Momente, wenn man beispielsweise eine 105 Jahre alte Damen versorge und im nächsten Moment ein Neugeborenes, dass gerade erst 2 Stunden alt sei. Seine Hörschädigung habe ihn vor neue Herausforderungen gestellt. Zwei Bewerbungen seien aufgrund seiner Hörschädigung abgelehnt worden. In der Berufsschule musste er seine Lehrer so lange nerven, bis sie die eigens organisierte Übertragungsanlage verwendeten. Die Ausbildung sei anstrengend ebenso wie das Schichtsystem, trotzdem würde er „keinen anderen Beruf wählen“. Das beeindruckte die Schüler:innen sichtlich.

Im parallel stattfindenden Vortrag berichten Sabrina Todorovic und Walaa Ali Ahmad (ebenfalls ehemalige Elbschülerinnen) mit ihrem Lehrer Frank Fokken über die Ausbildung zur Verkäuferin im Einzelhandel am Berufsbildungswerk (BBW) Eidelstedt. Im Alltag müssten beide oft nachfragen, um z.B. Kund:innen zu verstehen. Das sei für sie jedoch kein Problem. Außerdem verwenden sie Mikrofone, um besser zu verstehen. Auch bei diesen Expert:innen schauten die Schüler:innen begeistert zu.

Elisabeth Majnik (Verwaltungsangestellte) und Franziska Westerfeld  (Psychologin) arbeiten beide bei DESY und haben von ihren sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Erfahrungen mit ihrer Hörschädigung (auch während der Ausbildung/Studium) berichtet. Elisabeth Majnik erzählte von ihren Barrieren aufgrund ihrer Taubheit: „Ich wollte in Hamburg an die Berufsschule gehen. Dafür habe ich gekämpft. Mit einem Anwalt hatte ich Erfolg. Also durfte ich an die richtige Berufsschule und auf dem gleichen Niveau (wie hörende) lernen“. Mit Dolmetschern habe sie dann verstanden. Ihre drei Impulse an die Schüler:innen: Nicht aufgeben! Jeder Mensch sei es Wert, egal welchen Hörstatus man habe. Außerdem sei eine gute Vernetzung mit Kolleg:innen, im Team und mit der Teamleitung sehr wichtig und zu guter Letzt: gute Deutschkenntnisse.

Franziska Westerfeld wurde von den Schüler:innen besonders intensiv zu ihrer Ertaubung befragt und wie sie diese erlebe. Außerdem herrschte großes Erstaunen darüber, dass Frau Westerfeld als Psychologin nicht in einer Praxis arbeite, sondern in einem Unternehmen. Wie vielfältig oft die Arbeitsfelder eines Berufes (hier am Beispiel der Psychologin) sind, wurde den Schüler:innen hierdurch deutlich.

Den Abschluss des Tages machten Achim Zier (Vorsitzender des Hamburger Gehörlosen Sportvereins HGSV) und Manuel Gnerlich (Informatiker). Herr Gnerlich berichtet von seiner Arbeit als Softwareentwickler und Geschäftsführer von Open Mind Software GmbH. Eine seiner Leidenschaften liege darin, innovative Softwarelösungen zu entwickeln, in der Gebärdensprache eingesetzt oder Gegenstand sei, wie beispielsweise das BMAS-Projekt Sign4All, dem digitalen beruflichen Fachgebärdenlexika.

Herr Zier referierte ausführlich über seine frühere Zeit als einzige Taube Person in einer Firma mit hörenden Mitarbeiter:innen. „Durch meine Eltern habe ich ein bisschen sprechen gelernt. Aber hauptsächlich habe ich in der Firma schriftlich kommuniziert. Allein mit hörenden zu arbeiten und zu kommunizieren war zu Anfang echt anstrengend und hart, weil die Mimik sich von gehörlosen und hörenden bei der Kommunikation unterscheiden. Wenn hörende laut gesprochen haben, hatten sie oft ein angestrengtes Gesicht und da habe ich mich immer gefragt, ob sie jetzt sauer auf mich sind?“. Heute als Vorsitzender und einziger Festangestellter Mitarbeiter des HGSV sei sein beruflicher Alltag komplett anders. Für die Korrespondenz und Kommunikation beispielsweise mit Behörden habe er eine Arbeitsassistenz, die in beide Richtungen (Deutsche Gebärdensprache/Deutsch) übersetze.

So hat der vierte Expertentag wieder einmal den Schüler:innen die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten mit einer Hörschädigung aufgezeigt. Macht euch auf den Weg, lasst euch von Steinen, die euch scheinbar den Weg versperren nicht entmutigen, vernetzt euch, ihr seid es Wert.