Ehemalige Elbschülerin „wechselt die Seiten“ – von der Schülerin zur Lehrerin!

Ein Interview mit Marina Sosin

Liebe Marina, du warst seit Klasse 1 Schülerin der Elbschule bis 2014.

Wie war deine Schulzeit an der Elbschule für dich? Was hat dir gefallen? Was war nicht so toll für dich?

Mit der Elbschule verbinde ich nur positive Erinnerungen und bin sehr gerne zur Schule gegangen. Hauptsächlich liegt es daran, dass ich damals von tollen LehrerInnen unterrichtet wurde, welche zu einem familiären Flair beigetragen haben. Zudem habe ich mich gut mit meinen Klassenkameraden verstanden. Ich habe mich in der Schule einfach so wohl gefühlt, dass ich deswegen auch keinen Grund gesehen hatte, in der sechsten Klasse auf das Gymnasium zu wechseln.

Dagegen fand ich es schade, dass das Unterrichtsfach „Biologie“ nicht durchgehend angeboten wurde, denn ich habe gemerkt, dass mich das interessiert. Aber zum Glück konnte ich mein Interesse an dem Fach an der weiterführenden Schule weiterverfolgen.

Außerdem fand ich die Fahrzeit zur Elbschule nach dem Umzug an den neuen Standort (Othmarschen) anstrengend (wobei zu erwähnen ist, dass ich nicht in HH wohne).

Du hast dort deinen MSA erfolgreich absolviert und bist anschließend auf die Stadtteilschule Mitte (ehemals Lohmühlengymnasium) gegangen, um dort dein Abitur – ebenso erfolgreich – zu bestehen. Warum die Stadtteilschule Mitte? Wie war es für dich dort als Hörgeschädigte?

Bei der Stadteilschule Hamburg-Mitte handelt es sich u.a. um eine Schwerpunktschule mit dem Förderschwerpunkt „Hören“, das heißt die Schule hat langjährige Erfahrungen mit der Beschulung hörgeschädigter Schüler und Schülerinnen. Mir war wichtig davon ausgehen zu können, dass ich unter guten Bedingungen lernen kann und die kommunikativen Bedürfnisse eines hörgeschädigten Menschen in großen Maße berücksichtigt werden. Dazu zählt eben eine geeignete Raumausstattung, technische Hilfsmittel (z.B. FM-Anlagen) und geschultes Personal. Bei Problemen war ein Ansprechpartner in der Schule (Thomas Nedden; Hörgeschädigtenpädagoge) anwesend. Außerdem waren in meiner (und in den Parallelklassen) weitere hörgeschädigte Schüler und Schülerinnen. Daher habe ich mich auch da gut aufgehoben gefühlt.

Dann hast du dich für das Studium Lehramt für Sonderpädagogik mit dem Förderschwerpunkt „Hören und Kommunikation“ entschieden. Was waren deine Beweggründe?

Gerade als Selbstbetroffene kann ich mich gut in die Situation eines hörgeschädigten Schülers oder Schülerinnen hineinversetzen und möchte sie unterstützen und mich für sie einsetzen. Dies wäre im Rahmen des mobilen Dienstes beispielsweise möglich. Zudem war die Elbschule ein Wohlfühlort für mich und dieses positive Gefühl möchte ich hörgeschädigten Kindern weitergeben.

Wie läuft das Studium für dich als Hörgeschädigte? Gibt es besondere Schwierigkeiten? Wie löst du sie? Würdest du das Studium anderen empfehlen?

Es ist anstrengend und gerade mit der Hörschädigung nochmal eine zusätzliche Herausforderung. Während man in der Elbschule und auch an der Stadtteilschule HH-Mitte verwöhnt war mit hörgeschädigtenspezifischen Maßnahmen (z.B. sonderpädagogisches Lehrpersonal, FM-Anlage, Schalldämmung, Teppichboden) ist dies an der Universität nicht gegeben. Als hörgeschädigte Person ist es schwierig (bis unmöglich) einer Vorlesung zu folgen und gleichzeitig mitzuschreiben. Aus diesem Grund habe ich mich im Laufe des Studiums für die Unterstützung durch Schriftdolmetscher entschieden und das war eine enorme Entlastung. Es ist mit viel Bürokratie verbunden (z.B. Beantragung einer FM-Anlage bei der Krankenkasse, aber auch Antrag auf Kostenerstattung der Schriftdolmetscher) und man muss immer wieder Studierende und Dozenten erneut auf die kommunikativen Bedürfnisse hinweisen („bitte in das Mikrofon sprechen“). Teilweise nehmen bis zu vierzig Studierende an einem Seminar teil und ohne die FM-Anlage oder Handmikrofone hätte ich sonst meine Kommilitonen nicht verstehen können. Am Anfang war es unangenehm, aber mit der Zeit ist es mir leichter gefallen und es ist wirklich wichtig, dass man lernt für die speziellen Bedürfnisse einzustehen. Man lernt in dieser Zeit viel dazu und wächst über sich hinaus. Leider ist das bisher immer noch so, dass das Lehramtsstudium teilweise sehr theoretisch ist, und ich hoffe daher, dass in der Zukunft das Studium praxisorientierter aufgebaut wird oder Studieninhalte überarbeitet werden.

Während des Studiums arbeitest du parallel als Honorarkraft in der Elbschule.

Irgendwann habe ich zufällig mitbekommen, dass es die Möglichkeit gibt an der Elbschule als Honorarkraft zu arbeiten. Dies war tolle Chance, sodass ich mich schnell beworben habe. Aufgrund der Honorartätigkeit bin ich der pädagogischen Praxis viel näher als im Studium. Parallel mache ich derzeit im Rahmen des Studiums ein Blockpraktikum an der Elbschule.

Wie ist das Gefühl nun ‚auf der anderen Seite zu stehen‘ und selbst zu unterrichten? Wie war es für dich zu Beginn, im Mitarbeiterzimmer zu sitzen zwischen deinen ehemaligen Lehrer*innen?

Zu Beginn war es erstmal ein komisches Gefühl, da die Situation mir surreal vorkam. Plötzlich sollte ich meine ehemaligen LehrerInnen beim Vornamen nennen und sie auch duzen – dies fällt mir bis jetzt noch schwer. Aber auch hier konnte ich mit der Zeit „meine Schulzeit“ von der „jetzigen Tätigkeit“ trennen.

Vielen Dank, Marina, für diese interessanten Einblicke in deine Schulerlebnisse und deine Studienerfahrungen als Hörgeschädigte. Ich wünsche dir viel Erfolg auf deinem Weg und alles Gute für deine Zukunft – vielleicht ja bald als Kolleginnen!?

                                                                                            Katharina von Puttkamer