Die bronzene Büste, fest verankert auf einer massiven Holzstele, zeigt den deutschen Begründer der „Taubstummenbildung“ mit zeitgemäßer Barockperücke. Um 1769 hatte Samuel Heinicke in Hamburg-Eppendorf begonnen, gehörlose Kinder zu unterrichten. Als Erfinder der Deutschen Lautsprachmethode wurde er weithin bekannt. Seine Bildungsziele für „Taubstumme“ verfolgte er vorrangig mit dem Trainieren von Mundablesen und Artikulieren.
Bevor die Elbschule zur Elbschule wurde, trug die Gehörlosenschule in der Hammer Straße über 36 Jahre seinen Namen. In dieser Zeit entwickelte sich die Gehörlosenpädagogik rasant weiter. Längst hatten zwei Hamburger Schulversuche gezeigt, dass bilingualer Unterricht mit Laut- und Gebärdensprache gehörlosen Kindern den Zugang zu umfassender Bildung am besten ermöglicht.
Im Jahr 2012 bezog die heutige Elbschule das neue Gebäude am Holmbrook und die Bronzebüste fand einen neuen Standort im blühenden Atriumgarten. Von dort scheint Samuel Heinicke seitdem durch die breite Fensterfront der Aula das Treiben der inklusiven Schulgemeinschaft aus gehörlosen, schwerhörigen und guthörenden Lernenden und Lehrenden zu betrachten. Die bronzene Stirn bleibt dabei makellos glatt, auch wenn Heinicke der hohe Stellenwert der Gebärdensprache im bilingualen und inklusiven Unterricht an der modernen Elbschule sicherlich missfallen hätte.
Die WDR-Redakteurin Heide Soltau hat sich auf Spurensuche zu Heinickes Leben und Wirken begeben und daraus einen fundiert recherchierten und unterhaltsamen Hörfunkbeitrag / Podcast für den WDR geschaffen.
Die Folge vom 10. April, Heinickes Geburtstag, aus der Sendereihe ZeitZeichen hören Sie hier. Das Manuskript zum Nachlesen ist hier hinterlegt.
Die Bronzeplastik der Elbschule hat eine eigene Geschichte. Auf Initiative des früheren Gehörlosenlehrers Fritz-Helmut Wisch und seiner Frau Heike Wisch wurde sie bei dem Magdeburger Bildhauer Heinrich Apel (1935-2020) in Auftrag gegeben. Es sollte nach langem Wirken ihr persönliches Abschiedsgeschenk an die Schulgemeinschaft der Samuel-Heinicke-Schule sein und gleichzeitig ein moderner Ersatz für die einst mysteriös abhanden gekommene Vorgängerbüste. 1997 wurde das neu erschaffene Kunstwerk der Schulgemeinschaft im Rahmen der 170 Jahr-Feier der Gehörlosenschule feierlich übergeben.
Augenzwinkerndes Detail: Der internationale Solidaritätsgruß der Gehörlosen, ILY („I love you“), ist den Lebensdaten von Samuel Heinicke auf dem Holzsockel vorangestellt.
Karin Perwo-Aßmann