„O Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“
„Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“
Dieses Zitat stammt aus dem Kinderbuch-Bestseller „Post für den Tiger“ von Janosch, dem international bekannten Zeichner, Illustrator und Autor. Eigentlich heißt er Horst Eckert und ist im März 2021 neunzig Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass widmet ihm das
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) die Ausstellung
Janosch Lebenskunst (3. Oktober 2021 bis 13. März 2022).
Rund 150 originale Zeichnungen und Grafiken aus den vielen Jahrzehnten von Janoschs Schaffen werden kreativ präsentiert und laden zu ganz unterschiedlichen Zugängen und Sichtweisen auf seine Kunst ein. So lässt das MK&G seine Besucherinnen und Besucher im Liegen, Klettern, Kopfstehen oder beim Anschauen von Filmen in Janoschs Welt eintauchen.
„Wie Märchen wenden sich Janoschs Bilder und Geschichten an Große und Kleine zugleich. Seine Welt ist keine heile Welt. Sie ist voller Schönheit, Freundschaft und großen Träumen, aber auch voller Lüge, Ungerechtigkeit und Gewalt“, erklärt Caroline Schröder, Kuratorin am MK&G. Janoschs Figuren suchen stets ihren Weg, mit den Gegebenheiten des Lebens, guten wie schlechten, umzugehen. Ihre oft weisen Strategien haben Botschaften für uns versteckt und machen die typische Janosch-Lebenskunst aus.
Seine Geschichten aus über 300 Büchern wurden in 40 Sprachen übersetzt. Was Janoschs Werke auszeichnet, ist sein Spiel mit der Sprache: „Mit Wörtern und mit Worten kann man viel sagen. Manchmal ist es auch besser, nichts zu sagen. Und manchmal muss man neue Wörter erfinden, damit man genau das sagen kann, was man sagen möchte. So ist es bei Janosch.“ (Caroline Schröder, Wandtext in der Ausstellung)
Für hörbeeinträchtigte Menschen sind seine Texte deshalb nicht immer leicht zu verstehen. Dies wird auch an dem einleitenden Zitat aus „Post für den Tiger“ deutlich, das mit der doppelten Bedeutung von unheimlich spielt. Die Idee und Anfrage des MK&G an die Elbschule, eine Janoschgeschichte für die Ausstellung in Gebärdensprache nachzuerzählen, war daher große Ehre und Herausforderung für die Elbschülerinnen und -schüler gleichermaßen.
Direkt nach den Sommerferien erarbeiteten Frau Visser mit der Klasse 6a/d sowie Frau Wagener und Herr Borgwardt mit der Klasse 5a Janoschs Geschichte „Das Wolkenzimmerhaus“. Sie erzählt von dem Protagonisten Schnuddel, der sich ein phantasievolles Haus aus vielen aufeinandergetürmten Zimmern baut. Mit seinen Wünschen wächst auch das Haus bis in die Wolken und bricht am Ende instabil zusammen.
Nur wenige Schülerinnen und Schüler der beiden Klassen konnten bereits auf Erfahrungen mit Janoschgeschichten zurückblicken. Zu Beginn assoziierten sie frei und zeichneten ihre eigene Vorstellung eines Wolkenzimmerhauses. Diese Bilder sind nun in der Ausstellung neben den Originalen von Janosch zu betrachten.
Die anschließende inhaltliche Erarbeitung erfolgte Seite für Seite und wurde jeweils von einem oder zwei Kindern in Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) bzw. in Deutscher Gebärdensprache nacherzählt. Die Zusammenarbeit mit dem Kameramann des MK&G im Filmstudio der Elbschule machte allen Beteiligten viel Freude. „Die Kinder waren aus dem Häuschen vor Stolz, dass sie für andere Menschen im Museum ihre Version erzählen durften“, berichtet Frau Visser.
Die Botschaft der Geschichte wurde ihnen, nicht zuletzt durch Janoschs Bilder, deutlich: Wer zu viel will, hat am Ende gar nichts. Hingegen lassen sich die Erfahrungen der Kinder im Rahmen des gesamten Projektes beschreiben mit: Wer eine Herausforderung annimmt, kann über sich selbst hinauswachsen und damit „Lebenskunst“ erlernen.
Nun sind „Das Wolkenzimmerhaus“ in LBG von Klasse 6a/d und die Version in DGS von Klasse 5a in überdimensionaler Größe auf einer ganzen Wand im Museum für die Öffentlichkeit zugänglich.
Fast alle beteiligten Schülerinnen und Schüler kannten Museumsbesuche bisher nur in schulischen Kontexten. Die Janosch-Ausstellung mit ihren eigenen Werken werden sie und auch andere sicherlich mit der gesamten Familie besuchen. Das MK&G leistet dabei einen bemerkenswerten Beitrag zur Teilhabe: Alle Filme der Ausstellung sind mit Untertiteln versehen. Hörverstärkung mittels Induktion wird ebenso angeboten wie Audiodeskription für sehbeeinträchtigte Menschen. Professionelle Gebärdensprachübersetzungen für weitere Filme sind in Vorbereitung. Die Wandtexte der Ausstellung sind in Einfacher Sprache verfasst. Mit der DGS ist nun eine 41. Sprache hinzugekommen, die Janosch zu den Übersetzungen seiner Werke zählen darf.
Die Elbschule bedankt sich beim MK&G für die wertschätzende Zusammenarbeit und wünscht „Janosch Lebenskunst“ viele begeisterte Besucherinnen und Besucher.
Karin Perwo-Aßmann
Einführung in die Ausstellung (MK&G): Janosch (mkg-hamburg.de)
Einladung in die Ausstellung (Martina Bergmann, Museumsdienst):
https://www.youtube.com/watch?v=4TLrqu6X4Qg
Auf Anfrage können Termine für Führungen in Gebärdensprache vereinbart werden:
https://museumsdienst-hamburg.de/barrierefreie-angebote/fuer-gehoerlose/
Noch eine Übung in Lebenskunst für Fortgeschrittene?
DAS LEBEN IST SO
Das Leben ist so: Du wirst hineingeworfen wie in ein kaltes Wasser, ungefragt, ob du willst oder nicht. Du kommst lebend nicht mehr heraus.
Darüber kannst du:
a) unglücklich sein und ersaufen;
b) dich lustlos und frierend so lange über Wasser halten, bis es vorbei ist;
c) einen Sinn suchen und einfordern und dich grämen, weil er sich nicht zeigt;
oder du kannst:
d) dich darin voller Freude tummeln wie ein Fisch und sagen: „Ich wollte sowieso ins Wasser, kaltes Wasser ist meine Leidenschaft. Was für ein verdammt schönes Vergnügen, Leute!“
Und das wäre die Kunst, um die es hier geht.
Janosch