Esther Bejarano – Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts[1]

Vergangenes durch authentische Berichte von Zeitzeugen erlebbar zu machen ist eine häufig praktizierte Methode an der Elbschule, die bei Schüler/innen gut ankommt.

Im besten Fall geht die Initiative sogar von den Schüler/innen selbst aus.
Idal, Luan, Paulina und Samira aus Klasse 10b-I hatten mit der Referendarin Alice Rösch im letzten Schuljahr die prominente Esther Bejarano bei einer öffentlichen Veranstaltung kennengelernt und an die Elbschule eingeladen. Über die Zusage der 93-Jährigen hatten sie sich sehr gefreut und den Besuch im Vorfeld mit ihren Klassenkamerad/innen gründlich vorbereitet.

 

 

Die außergewöhnliche Lesung am 23.09.2019 wird den Anwesenden lange im Gedächtnis bleiben. Esther Bejarano las in der Aula aus ihren Erinnerungen von einer unbeschwerten Kindheit in einem musikalischen jüdischen Elternhaus, vom Auseinanderreißen der Familie und von Zwangsarbeit und Internierung in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück.
Die Aufnahme in das Mädchenorchester von Auschwitz hatte der damals 18-jährigen Esther das Leben gerettet. Es gab etwas leichtere Haftbedingungen für die Aufgabe, Marschmusik, Volkslieder und Walzer für die SS-Schergen zu spielen. Besonders grausam war es, dass die jungen Mädchen regelmäßig bei Ankunft neuer Transporte am Tor stehen und musizieren mussten, bevor die Menschen in die Gaskammern gebracht wurden. Diese Bilder hat Esther Bejarano bis heute im Kopf. Die folgerichtige Frage eines Schülers, ob sie durch diese starke psychische Belastung zu irgendeinem Zeitpunkt ihr Leben aufgegeben hätte, verneinte sie jedoch vehement. Der Mut und die Kraft zum Kämpfen hatten diese starke Frau nie verlassen.

Die Befreiung kurz vor Kriegsende beschrieb Esther Bejarano als
ihre zweite Geburt. Sie verbrachte die folgenden Jahre in Palästina/ Israel, bis sie 1960 mit ihrem Mann, zwei Kindern und sehr gemischten Gefühlen zurück nach Deutschland kam. Zunächst vermied sie Unterhaltungen mit „normalen“ deutschen Menschen, denn der Gedanke, dass dies die Mörder ihrer Eltern und Schwester sein könnten, ängstigte sie noch für eine lange Zeit. Ob sie denn tatsächlich einen der SS-Verbrecher wiedergetroffen hätte, beantwortete sie mit „Zum Glück nicht“.

Esther Bejarano fand ihren eigenen Weg, mit den Rachegefühlen für das erlittene Unrecht und den Holocaust umzugehen und beschloss, sich der Aufklärung zu verschreiben. Bis heute ist sie als engagierte Zeitzeugin ehrenamtlich an Schulen, bei Lesungen und politischen Veranstaltungen zu Gast. Sie erhob ihre kräftige Stimme auch als politische Sängerin in einer Rap-Band und wird selbst mit 93 Jahren nicht müde, die Jugend zu Engagement und Widerstand gegen neuerliches Unrecht aufzurufen. Ihre deutliche Botschaft an die ElbschülerInnen: „Wir müssen kämpfen für den Erhalt der Demokratie. Die Menschen auf der ganzen Welt dürfen nicht schweigen!“.

Die tief berührende Begegnung mit Esther Bejarano endete mit dem gemeinsamen Singen des alten Partisanenliedes „Bella Ciao“ – auf besonderen Wunsch von Idal, Luan, Paulina und Samira.

 

 

Ein großes Dankeschön an Esther Bejarano und an Klasse 10b-I für die beeindruckende Veranstaltung!

 

 

 

Karin Perwo-Aßmann

 

 

[1] Der gleichnamige Titel der Erinnerungen von Esther Bejarano ist 2013 im LAIKA-Verlag Hamburg erschienen.